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29.11.2022

Silodenken erlebe ich hier kaum noch

Das Herz der globalen Lieferketten schlägt im Takt der politischen Ereignisse. Auch bei DMK. Hermann Köster und Dr. Ralf Zink über die weitgefächerten Herausforderungen – und wie das Unternehmen darauf reagiert.

Die Lieferkette ist aus Corona-, Kriegs- und Inflationsgründen weltweit fragil geworden. Wie sieht es aktuell bei DMK aus?

Hermann Köster: Noch vor ein paar Monaten war zum Beispiel die Beschaffung von Schnittlauch aus China oder Sonnenblumenöl aus der Ukraine ein Problem. Das hat sich etwas entschärft. Dafür sehen wir erhebliche Auswirkungen der Energiekrise: Energieverknappung heißt, höhere Energiepreise, das gilt sowohl für den Verbraucher aber auch für die gesamte Herstellungsund Lieferkette vom Landwirt bis zum Handel. Dies hat weitreichende Konsequenzen, zum Beispiel auch in der Verfügbarkeit und den Preisen von Düngemitteln, Verpackungsmaterialien, Gläsern für die Babynahrungsproduktion oder Reinigungsmitteln bis hin zu Eisensulfaten für die Vorbehandlung von Abwässern.

 

Wie reagieren Sie auf solche Auswirkungen?

Hermann Köster: Wir blicken sehr fokussiert auf die weltpolitische Bühne. Dazu stimmen wir uns fast täglich mit Einkauf, SCM, Geschäftsleitung und Vertrieb ab, um die Situation in der Wertschöpfungskette zu besprechen und Maßnahmen umzusetzen. Änderungen in der Lieferkette erfolgen manchmal stündlich. Wir organisieren täglich neu. Aktuell bei Reinigungsmitteln zum Beispiel: Wie können sich die Werke untereinander aushelfen oder welche gleichwertigen Mittel können wir einsetzen?

Wie vorausschauend kann eine Molkerei denn überhaupt planen?

Hermann Köster: Wir erhöhen für kritische Materialien, wo es möglich ist, unsere Bestände. Beim Ausbruch des Kriegs war uns klar, dass es bald weniger Sonnenblumenöl und Weizen für die Herstellung unserer Produkte geben wird, daher haben wir auch hier sofort reagiert und zum Beispiel nach Alternativen wie Rapsöl gesucht. Nicht jede Änderung in der Lieferkette ist aber im Detail voraussehbar.

Dr. Ralf Zink: Ganz locker lassen sich Inhaltsstoffe auch nicht austauschen: Wir müssen auf gleichwertige Textur, gleichen Geschmack und Qualität achten. Es dürfen keine zusätzlichen Allergene enthalten sein, die Händler müssen zertifiziert sein, wir müssen auf den Packungen deklarieren, was wir geändert haben und entsprechend die Label ändern. Das ist ein großer und kostenintensiver Aufwand. Sobald man zur alten Rezeptur und den gewohnten Wertschöpfungsketten zurückkehren kann, ist das besser. Und dennoch: Einerseits zeigt unser Vorgehen, wie flexibel und schnell wir reagieren, um die Produktion auch in Krisenzeiten am Laufen zu halten. Andererseits haben sich die Lieferengpässe bei Schnittlauch, Sonnenblumenöl, Vitamin K und vielen weiteren Rohstoffen glück licherweise mit den Lockerungen in China, neuen Lieferwegen aus der Ukraine und neuen Handelspartnern aus Nordamerika oder Europa etwas entspannt, so dass wir hier erstmal weniger Engpässe haben.

Als COO Supply Chain Management koordiniert er BU-übergreifend die Lieferkette vom Rohstoff bis zur Kundenbelieferung.

Hermann Köster

Bei der Suche nach alternativen Lieferanten steht DMK im starken Wettbewerb …

Hermann Köster: Das ist richtig. Unsere Lieferanten versuchen Preiserhöhungen sowohl in bestehenden Kontrakten als auch bei Neuabschlüssen bei uns umzusetzen. Hier ist es Aufgabe unserer Experten, Alternativen zu finden. Dabei setzen sie ihr ganzes Verhandlungsgeschick ein, um ein möglichst optimales Verhältnis zwischen Preis, Leistung und Qualität für DMK zu erziehen.

Dr. Ralf Zink: Wir suchen auch im Unternehmen selbst nach Möglichkeiten, einfacher an Rohstoffe zu kommen. Die Forschung & Entwicklung bei DMK hat schon in den letzten Jahren mehrere Projekte vorangetrieben, die uns jetzt verstärkt zugutekommen. Vor fünf Jahren haben wir bereits einen alternativen Rohstoff für Wachsmaisstärke gesucht und zum Beispiel eine Rezeptur entwickelt, die zwar in Textur und Farbe nicht ganz ähnlich, aber geschmacklich schon stark an dieses Kohlenhydrat herankommt. Diese Entwicklungen können wir nun nutzen, um jetzt gegebenenfalls erforderliche Rezepturanpassungen schnell umzusetzen. Am Ende ist es aber auch viel Ausprobieren und Verbessern - immer wieder.

Bis vor Kurzem waren die wichtigen Transportwege aus und nach China blockiert. Wie gelingt aktuell der Frachtverkehr?

Hermann Köster: Containerschiffe aus China kommen durch die Coronalockerungen nun regelmäßiger bei uns an, so dass wir wichtige Rohstoffe wieder beziehen können. Ein neuer Lockdown in Shanghai, einer unserer wichtigsten Handelshäfen, ist aber weiterhin denkbar, denn die Null-Covid-Politik hat sich nicht sonderlich verändert. Weiterhin haben wir auch starke Engpässe bei den Kraftfahrern, also in der Transportlogistik per LKW. Viele Fahrer stammen aus der Ukraine und wurden zum Kriegsdienst einberufen. Immer stärker macht sich auch der Nachwuchskräftemangel bemerkbar. Um dieses Risiko zu minimieren und die Transportlogistik am Laufen zu halten, arbeiten wir mit verschiedenen externen Dienstleistern zusammen. Dennoch brauchen wir dringend eine dauerhafte Lösung.

Was fordert DMK zurzeit am meisten heraus?

Dr. Ralf Zink: Die starken Engpässe bei den Reinigungsmitteln. Mit solchen Engpässen rechneten wir vor ein paar Monaten noch nicht.

Hermann Köster: Natürlich müssen auch wir die Energie wende bei DMK noch schneller vorantreiben. Den Grundstein haben wir in der Strategie 2030 gelegt, als wir mit der kontinuier lichen Umstellung auf eine nachhaltigere Produktion begonnen haben. Wir haben in vielen Bereichen auf regenerative Energien umgestellt.

Als Director Research & Technology leitet er übergreifend den Bereich Forschung & Technologie.

Dr. Ralf Zink

Lässt sich die jetzige Krise mit vorigen vergleichen?

Hermann Köster: Absolut nicht. Daher ist die tägliche Bestandsaufnahme der Rohstoffe und die Rücksprache mit Mitarbeitern aus den Werken so wichtig: Gibt es genügend Reinigungsmittel? Haben wir die nötigen Verpackungsmaterialien und Zutaten? Wird die Ware pünktlich abgeholt? Schon in der Pandemie war es eine Herausforderung, gesicherte Transportketten zu gewährleisten und genügend Materialen zur Verfügung zu haben. Wir haben sichergestellt, dass die Milch von unseren Landwirten abgeholt wird und damit ununterbrochen für die Versorgung unserer Kunden gesorgt. Das ist uns bisher gut gelungen. Was der Krieg aber an weiteren Herausforderungen weltweit bedeutet – wir sind ein global agierendes Unternehmen – lässt sich nicht in jedem Detail vorausschauen.

Dr. Ralf Zink: Die Auswirkungen sind mannigfaltig, weil sie so eng mit dem politischen Geschehen verknüpft sind. Ein Beispiel: Stahlwerk Asow Stahl in Mariupol wurde zerstört – damit wurde in kürzester Zeit praktisch die gesamte Nagelproduktion für Europa lahmgelegt. Holzpaletten für den Transport wurden kaum noch hergestellt. Nicht weil Holz fehlt – auch das Holzproblem hat sich inzwischen entschärft – sondern weil Palettennägel fehlen, um sie zu bauen.

 

Was stimmt Sie dennoch zuversichtlich?

Dr. Ralf Zink: Dass wir an den wichtigen Stellschrauben drehen, um die Produktion in Gang zu halten, und dieser Einsatz bisher erfolgreich und richtig war. Ganz auffällig finde ich aber, dass wir jetzt fast noch mehr als in der Pandemie ein Zusammengehörigkeitsgefühl erleben. Jeder dreht nochmal eine Extrarunde, um das Unternehmen auf Kurs zu halten. Das funktionierte schon in der Pandemie, weil jeder als Team dachte, mithalf und mitmachte. Jetzt ist es nicht anders.

Hermann Köster: Ich finde das Wir-Gefühl jetzt sogar noch intensiver. Es kristallisiert sich immer mehr als Stärke des Unternehmens heraus, dass hier Hand in Hand gearbeitet wird. Jeder profitiert von jedem und das ist meiner Meinung nach auch überwiegend in der Wahrnehmung der Mitarbeiter angekommen. So etwas wie Silodenken erlebe ich hier kaum noch.

 

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